Manouchehr Salehi
Im Andenken an Masudeh

Zum Meister ging ich einst in Jugendzeit-
Dann hab ich mich des eigenen Meisterseins erfreut.
Und wollt ihr wissen, was davon das Ende ist?
Den Staubgeborenen hat wie Staub der Wind zerstreut.
Omar Khayyam
Liebe Trauernde,
Wir sind heute hier zusammengekommen, um uns von Masudeh
Gholamazad, geborene Pajum, einer Frau, die aufrichtig,
liebenswürdig, menschenfreundlich und Liebe erweisend war, zu
verabschieden, obwohl wir wissen, dass wir sie nie vergessen
werden. So lange wir leben, sind unsere Erinnerungen an Masudeh
ein Teil von uns, sie werden in uns leben und erst mit unserm
Tode mit uns sterben.
Masudeh wurde am 23. Juni 1946 in Teheran geboren und starb am
12. Nov. 2006 in Garbsen.
Sie kam 1966 nach Deutschland und hat in kürzester Zeit ihr
Pharmaziestudium beendet.
Seinerzeit waren die Universitäten unter dem politischen
Einfluss jener Bewegung, die als 68iger in die Geschichte
eingegangen ist. Die Weltorganisation der iranischen Studenten,
die
CISNU, die gegen die Despotie der Pahlewi-Dynastie kämpfte, war
ein Teil dieser Bewegung. Die Mehrheit von uns war in der CISNU
aktiv. Masudeh war wie viele andere iranische Studenten und
Studentinnen von dieser Bewegung beeinflusst und Mitglied der
CISNU. Sie hat Dawud bei CISNU-Veranstaltungen kennen gelernt,
ihn geliebt und geheiratet.
Die Liebe bildete die Essenz ihres Seins. Sie gehörte zu der
Gruppe Menschen, die anderen
ihre Liebe schenken und bereit sind, sich der Liebe wegen zu
opfern. Masudeh hat diesen
Schritt vollendet. Um Ihre Liebe zu beweisen, verzichtete sie
auf das Leben.
Andererseits gibt es auch Menschen, die um ihrer selbst Willen
andere Menschen lieben, um deren Liebe zu stehlen, sich diese
anzueignen, zu vergegenständlichen und sie zu Ware verkommen zu
lassen.
Nach der Heirat hat Masudeh mit dem Soziologiestudium begonnen,
um ihren Mann, der als
Doktor der Soziologie an der Uni Hannover dozierte, sowie die
iranische politische Bewegung besser verstehen zu können. Sie
absolvierte dieses Studium erfolgreich.
Masudeh gehörte wie die meisten von uns zu den Aktivisten der
CISNU, eine zeitlang war sie
im Führungskader dieser Organisation verantwortlich für
Frauenfragen.
Als die Revolution in Iran ausbrach, verzichtete sie im Einklang
mit der ihr eigenen Einstellung, d. h. aufgrund ihrer Liebe zu
Iran und zu ihren Landsleuten, auf alles in Deutschland
Aufgebaute. Sie reiste mit der Vorstellung nach Iran, immer in
ihrer Heimat leben und sich wirksam beim Aufbau eines
unabhängigen demokratischen Staates beteiligen zu können. Sie
hat sich während ihres Aufenthaltes in Iran aktiv für
individuelle und zivile Bürgerrechte eingesetzt und in diesem
Zusammenhang in der Frauenbewegung engagiert.
Die politischen Umstände zwangen sie, nach Deutschland zurück zu
kehren. Auch hier hat sie sich in der Frauenbewegung für
immigrierte und geflüchtete Frauen engagiert und aufrichtig für
deren Rechte gekämpft.
Meine Frau Gabriele und ich haben Masudeh vor 35 Jahren kennen
gelernt und sofort gemerkt, dass sie ein aufrichtiger, lieber,
vertrauenswürdiger und opferbereiter Mensch ist. Drei Monate vor
ihrem unerwarteten Tod war sie bei uns und hat mit uns über
Krisen verursachende Ereignisse gesprochen, die ihr Leben
erschüttert haben. Obwohl uns klar war, dass keine Rückkehr aus
dieser Sackgasse möglich wäre, war sie immer noch optimistisch
und glaubte, dass sie wie in der Vergangenheit, auch diese
gefährliche Krise bewältigen und zu normalen Verhältnissen
zurückkehren könnte.
Aber weitere Ereignisse haben diese Frau, die stets willensstark
war, geschwächt, und als sie
erkannte, dass sie sich nicht mehr aus dem Griff der
Schwierigkeiten, die sie umzingelt hatten, befreien konnte, hat
sie ihre Hoffnung auf eine bessere Zukunft verloren. Diese
Ereignisse kann man wie folgt beschreiben:
·
Fortdauer der Krise mit ihrem Mann,
den sie unendlich liebte und ihm ihre ganze Liebe schenkte.
·
Die Beschleunigung der Krankheit ihrer
alten Mutter, die in Teheran lebt. Das Wohnen in Deutschland hat
bei ihr das Schuldgefühl geweckt, ihrer Mutter nicht unmittelbar
helfen zu können .
·
Der unerwartete Tod ihres Arbeitgebers,
in dessen Apotheke Masudeh arbeitete. Sein Tod hat dazu geführt,
dass sie, die selbst von Krisen erschüttert war, noch weitere
Verantwortung schultern sollte.
·
Und schließlich der unerwartete Tod
ihres Bruders Mehdi, der einige Jahre jünger als Masudeh war und
in Florenz lebte.
Das letzte Mal habe ich im Monat Oktober mit Masudeh telefoniert.
Sie war Krank und
sprach mit leiser Stimme. Sie gab zu, dass sie wegen ihrer
Zerstreutheit nicht in der Lage sei,
Auto fahren zu können. Ich habe ihr vorgeschlagen, sie für
einige Tage zu uns zu holen. Masudeh lehnte meinen Vorschlag
jedoch ab, weil sie sich beruflich verpflichtet fühlte. Wir
vereinbarten einen späteren Besuch.
Eine Woche später war ich in Hannover, alle Bestrebungen, sie zu
treffen, schlugen fehl.
Gabi und ich haben bis zu ihrem unerwarteten Tod versucht, mit
ihr in Verbindung zu bleiben. Das gelang aber häufig nicht. Es
ist davon auszugehen, dass die Krise, die Masudeh überwältigt
hatte, zu ihrem Tode beigetragen hat.
Liebe Masudeh,
· Du
sollst wissen, dass wir deinen Tod betrauern und uns dein
Verlust sehr betrübt.
·
Du sollst wissen, dass wir dich
geliebt haben und so lange wir leben, werden wir dich in unserer
Erinnerung weiter lieben. ~
·
Du sollst wissen, dass wir deine Liebe,
Aufrichtigkeit und Freundschaft nie vergessen werden.
·
Du sollst wissen, dass du in uns
lebendig sein wirst, so lange wir leben.
·
Du sollst wissen, dass wir mit dir
sind und du mit uns bist
Das Rätsel dieser Welt löst weder Du noch ich,
Jene geheime Schrift liest weder Du noch ich.
Wir wüssten beide gern, was jener Schleier birgt,
Doch wenn der Schleier fällt, bist weder Du noch ich.
Omar Khayan
Liebe Masudeh,
Ruhe deiner Seele und Ewigkeit unserer Erinnerung
15. Nov. 2006
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